Gentrifizierung – Ein altes Phänomen in neuem Kleid

(Aktualisiert: März 2023)

Wohnungsmangel, der Kampf gegen steigende Mieten, der Kampf gegen die Verdrängung von Bewohnern aus ihrer gewohnten Umgebung. All diese Themen werden zunehmend in der Öffentlichkeit diskutiert und es wird versucht, Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Doch was ist Gentrifizierung überhaupt, und wie lässt sich dagegen vorgehen?

Wo sind die Wohnungen hin?

Im Zuge von Sanierungsmaßnahmen und Mieter-/ Eigentümerwechsel nimmt die Anzahl an Luxuswohnungen stetig zu. Obschon versucht wird, mit Erhaltungs- oder Milieuschutzsatzungen die Bewohner zu schützen, ist die Wirksamkeit solcher Maßnahmen noch unbefriedigend. Zahlreiche Betroffene fühlen sich in ihrer Existenz bedroht, während Profiteure und Lobbyisten diese Prozesse und ihre damit verbundenen Gewinnerwartungen verteidigen.

Am Anfang des Gentrifizierungsprozesses stehen in der Regel Protestaktionen, wie etwa Hausbesetzungen, politische Demonstrationen oder auch Vandalismus. Die Ursachen für diese kollektive Unzufriedenheit in Gentrifizierungsgebieten gehen vor allem auf die mangelnde Erforschung dieses Phänomens zurück sowie auf fehlende Lösungsvorschläge seitens der Politik.

Was ist Gentrifizierung?

Der Begriff Gentrifizierung (vom Englischen gentry, “niederer Adel”), umgangssprachlich auch als “Yuppisierung” bezeichnet, stammt aus der Stadtsoziologie und beschreibt die sozioökonomische Umstrukturierung eines Stadtteils. Durch Sanierungsmaßnahmen und/oder Eigentümerwechsel dominieren allmählich einkommensstarke Haushalte zu Lasten von Geringverdienern, zu denen etwa Rentner, Studenten, oder Alleinerziehende zählen.

Der Begriff wurde in den 60er Jahren von der englischen Soziologin Ruth Glass geprägt. Sie beschrieb damit den Wandel eines Londoner Stadtteils vom Arbeiterviertel zum Wohnviertel für die Mittelklasse. Kennzeichnend für diesen Prozess ist der Austausch der statusniedrigen Bewohner durch zahlungskräftige und statushöhere Bewohner. Dies fand bereits in England im 18. Jh. statt, als der niedere Adel aus den Randgebieten zurück ins Stadtzentrum zog und dort die Alteingesessenen verdrängte.

Die Kritik der Gentrifizierungsgegner

Gegner des Gentrifizierungsprozesses finden sich vor allem bei linksorientierten Verbänden und Parteien. Die Kritik an Wuchermieten, am Zuzug von “Yuppies”, an Luxussanierungen und am Verdrängen lokaler Bewohner und Läden gehören zu den zentralen Themen der Gegner. Zwar fokussieren sich diese auf das emotional beladene Thema, aber es geht ihnen eigentlich um den gesamten Prozess der Stadtentwicklung.

Insgesamt geht es also weniger um die Entwicklung eines einzelnen Stadtteiles an sich, als vielmehr um die gesamte Stadtentwicklung und -planung, bei der der Bürger keinerlei Mitspracherecht besitzt und Grundstücke einfach an den meistbietenden Investor verkauft werden. Und das alles ohne zu berücksichtigen, welches Gesamtprojekt der Käufer plant. Eine Änderung, die dies verhindern soll, hat der Hamburger Senat verabschiedet. Demnach muss bei der Veräußerung überprüft werden, welchen Zweck der Käufer verfolgt und ob nicht etwa kulturelle oder bildungsrelevante Einrichtungen bevorzugt werden sollen.

Gentrifizierung – Ein historischer Prozess

An sich ist Gentrifizierung ein normaler Prozess, der in der Geschichte schon öfters stattgefunden hat. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass hiervon nicht nur Deutschland betroffen ist, sondern es sich um ein internationales Phänomen handelt. Vor allem in Großbritannien, wo die Trennung der Klassen noch stärker dominiert, ist Gentrifizierung ein alter und tief verwurzelter Prozess. Außerdem sind zahlreiche Metropolen wie London, New York oder Paris weitaus schwerwiegender betroffen als dies hierzulande der Fall ist. In New York etwa entflammte die Debatte um die Gentrifizierung bereits in den 50er und 60er Jahren. Die Niederlande waren davon in den 70ern mit den Hausbesetzungen, infolge erhöhter Wohnkosten durch die Ölkrise betroffen.

In Deutschland wird das Phänomen seit den 80ern infolge von Erneuerungsmaßnahmen und Großprojekten von Stadtsoziologen besprochen. Die Konstanz und Verbreitung dieses Phänomens führt uns zur Frage, ob es nicht stets “schlechtere” und “bessere” Viertel gegeben hat und geben wird. Wird es nicht stets Wohnungen für Reiche und Wohnungen für Arme geben? Beschweren wir uns hier eigentlich über etwas, was in der globalisierten, kapitalistischen Welt längst gang und gäbe ist, in deutschen Städten wie Berlin nur etwas verspätet angekommen ist?

“Gentrification or Slumification”

Denn: Es gibt nun mal kein Grundrecht auf Wohnen in der Stadtmitte. Es gab und wird auch weiterhin große Unterschiede in der Wohnstruktur geben, die in tiefer liegenden gesellschaftlichen Strukturen beheimatet sind. Es darf dabei nicht vergessen werden, dass die Stadt sich immer weiterentwickelt, Viertel und Einwohnerstruktur sich verändern. Dies muss aber nicht zwingend eine negative Entwicklung sein. Überhaupt wird man sich schwer damit tun, effektiv gegen diese Entwicklung vorzugehen.

In den USA stehen beispielsweise viele Menschen der Gentrifizierung positiv gegenüber, da sie so auf eine Aufwertung ihres oftmals heruntergekommenen Viertels hoffen. Jerry Brown, Gouverneur von Kalifornien, bringt diese Idee mit seiner sicherlich etwas überspitzen Formulierung “Gentrification or Slumification” auf den Punkt.


Bitte stimmen Sie der Einwilligung zu.
Bitte stimmen Sie der Einwilligung zu.