(Aktualisiert: März 2023)
In keinem europäischen Land (mit Ausnahme der Schweiz) wohnen so viele Mieter wie in Deutschland. Während die Eigentümerquote in Europa durchschnittlich bei ca. 70 Prozent liegt, hat Deutschland im bundesweiten Durchschnitt gerade so die 50-Prozent-Hürde geknackt. Die aktuelle Lage auf dem Wohnungsmarkt, die Gründe für den Rückstand, ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern sowie ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen werden in diesem Artikel erläutert.
- Steigende Preise bei gleichbleibendem Lohn
- Entwicklungen des deutschen Wohnungsmarktes
- Deutschland im Vergleich zu Europa
Die Wohneigentümerquote in Deutschland ist in den vergangenen Jahrzehnten kaum gestiegen. Lag die Quote zu Beginn der 90er Jahre bereits über 40 Prozent, ist sie bis 2016 lediglich auf 51,1 Prozent gestiegen. Mittlerweile sinkt die Quote wieder, wobei wir Anfang 2023 bei 46,5 Prozent liegen. Besonders in deutschen Stadtstaaten blieb die Quote weiterhin auf äußerst niedrigem Niveau. In Hamburg lag sie laut Statistischem Bundesamt zuletzt bei 22,6 Prozent, in Berlin lediglich bei 14,2 Prozent.
Einzig das Saarland erreicht in Deutschland mit knapp 63 Prozent fast europäisches Niveau. Der Grund hierfür liegt vermutlich in der Nähe zu Luxemburg, wo die Immobilienpreise deutlich höher sind. Somit weichen immer mehr Luxemburger in die deutsche Grenzregion aus, um den europaweit höchsten Preisen für Einfamilienhäuser zu entgehen.
Steigende Preise bei gleichbleibendem Lohn
Während der Anteil an Eigentümern in den Haushalten der unteren Einkommensschichten sehr niedrig ist, verfügen Personen mit einem Einkommen über 3.500€ überdurchschnittlich oft über Eigentum. Zwar sind die Zinsen für Baufinanzierungen am Kapitalmarkt derzeit relativ niedrig, dennoch können sich immer weniger Menschen den Erwerb von Eigentum finanziell leisten. Vor allem in wirtschaftlich wachsenden Ballungszentren oder in den Stadtstaaten sind die Preisanstiege deutlich höher als der Lohnzuwachs. Dies zeigt, dass Finanzierungsschwierigkeiten eines der Hauptprobleme beim Erwerb von Eigentum darstellen. Somit hat sich der Besitz von Wohneigentum auch als soziales Abgrenzungskriterium etabliert.
Des Weiteren wird Wohnen in Deutschland für eine Vielzahl der Menschen immer teurer: Der Anteil der Miete am Haushaltsnettoeinkommen zählt mit durchschnittlich 30 Prozent zu den höchsten in Europa. Und die Mietbelastungsquote nimmt eher weiter zu. Rentnerhaushalte oder Haushalte von Alleinerziehenden weisen grundsätzlich eine deutlich höhere Belastung des Haushaltsnettoeinkommens durch die Miete auf. Der Anstieg der Belastung durch Wohnkosten betrifft somit einkommensschwache Haushalte deutlich stärker als einkommensstarke Haushalte.
Hauptverantwortlich dafür ist, neben dem gestiegenen Interesse der Kapitalanleger an Wohnimmobilien in Großstädten, vor allem die wachsende Nachfrage bedingt durch demographische Veränderungen wie z.B. die steigende Anzahl an Haushalten trotz sinkender Bevölkerung sowie die Tendenz zum Singlehaushalt.
Vor- und Nachteile der Kauf- und Mietoption
Der Eigentumserwerb dient häufig der privaten Vermögensbildung sowie der Altersvorsorge. Dazu hat nicht zuletzt das europaweit einzigartige System der Bausparkassen beigetragen, welches den Erwerb von Eigentum für das Alter salonfähig gemacht hat.
Auch im Hinblick auf die “Altersarmut”, die immer mehr zum gesellschaftlichen und sozialen Problem wird, sehen viele Menschen im Immobilienkauf eine attraktive Möglichkeit zur Rentenvorsorge. Rentner, die Eigentum erworben haben, geben im Durchschnitt über 50 Prozent weniger für Wohnkosten aus als Mieter im gleichen Alter.
Eine niedrige Mieterquote hat allerdings auch wirtschaftliche Vorteile: So besitzen Eigentümer eine geringere Bereitschaft, zugunsten einer Anstellung den Wohnort zu wechseln, wohingegen Mieter die flexibleren Arbeitnehmer sind. Wie sich in der Finanzkrise gezeigt hat, kann der Immobilienerwerb auch eine finanzielle Belastung darstellen und zur Zahlungsunfähigkeit der Käufer führen. Vor allem der starke Preisanstieg in den Ballungszentren schürt zunehmend die Angst vor einer Immobilienblase in Deutschland.
Es sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass Mietwohnungen in Deutschland außerordentlich hohe Qualitätsstandards besitzen. Während in anderen Ländern oft nur Mietwohnungen mit geringen Ausstattungsmerkmalen zur Verfügung stehen, stehen die meisten deutschen Mietwohnungen vergleichbaren Kaufimmobilien in nichts nach, vor allem auch was die Lage anbelangt.
Entwicklungen des deutschen Wohnungsmarktes
Die niedrige Eigentümerquote in Deutschland, die zuletzt bei knapp 51 Prozent lag, lässt sich auf mehrere unterschiedliche Faktoren zurückführen. Hauptursachen für den hohen Anteil an Mietern sind zum einen historisch bedingte Gründe, zum anderen aber auch aktuelle strukturelle Probleme.
Die historische Entwicklung des Wohnungsmarktes und ihre Ursachen
Das Erbe des 2. Weltkrieges
Die historischen Ursachen, die mitverantwortlich für die Entwicklungen der vergangenen Jahre sind, gehen teilweise bis zur nationalsozialistischen Vergangenheit zurück. Auf der einen Seite ist durch die Enteignung der jüdischen Bevölkerung in den 30er Jahren ein nicht unerheblicher Teil des Privatvermögens zerstört worden. Auf der anderen Seite führte der Krieg aber auch zur physischen Zerstörung oder starker Beschädigung von knapp der Hälfte des Wohnimmobilienbestandes.
Die so entstandene Lücke an Wohnungen von schätzungsweise fast 6 Millionen Immobilien konnte damals nur durch die staatliche Förderung des sozialen Wohnungsbaus geschlossen werden. In der Zwischenzeit hat die Bedeutung des sozialen Wohnungsbaus deutlich abgenommen: Während in den 50er und 60er Jahren noch gut die Hälfte der Neubauprojekte im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus gefördert wurde, lebt heute nur noch sechs bis sieben Prozent der Bevölkerung in Sozialwohnungsbeständen.
Das sozialistische Erbe
Die neuen Bundesländer weisen dabei eine besonders niedrige Eigentümerquote im Vergleich mit den Durchschnittswerten der Bundesrepublik auf. Entgegen dem “Ausverkauf” ehemals staatlicher Wohnungen mit erhöhten Sanierungsbedarf, der nach dem Ende des Sozialismus in zahlreichen osteuropäischen Staaten stattfand, wurden diese Immobilien in Deutschland nur selten an die Bewohner verkauft. Aufgrund der guten Ausstattungsqualität, die zu einem höheren Kaufpreis führte, sowie den niedrigen Verdiensten in Ostdeutschland, war es häufig nicht möglich, den geforderten Marktpreis zu zahlen.
Auch im Zuge der Wende konnte die schnelle Annäherung der Wohneigentumsquote an westliche Verhältnisse nur durch eine großzügige Baulandpolitik erreicht werden. Dabei etablierte die gezielte Förderung des deutschen Mietmarktes seit dem 2. Weltkrieg die hohe Wohnqualität, die bis heute aufrechterhalten blieb. Allerdings wurden die Mieten auf diese Weise künstlich niedrig gehalten, so dass bis heute vielerorts keine marktüblichen Mieten bezahlt werden, trotz der vergleichsweise frühen Liberalisierung des Wohnungsmarktes. Das Vorhandensein von günstigem und gleichzeitig attraktivem Wohnraum wirkt sich so negativ auf die Kaufbereitschaft aus.
Aufteilung des Wohneigentums in Deutschland
Von 2006 bis 2016 war zwar ein deutlicher Anstieg der Eigentümerquote von gut sieben Prozent zu verzeichnen, allerdings geht der Anstieg u.a. darauf zurück, dass der Anteil an Senioren steigt und diese im Durchschnitt öfter Eigentum besitzen. Somit steigt die Quote auch demographisch bedingt an. Zudem führte das durch die Finanzkrise gestiegene Misstrauen gegenüber Anlageprodukten der Finanzindustrie, sowie das niedrige Zinsniveau und das Bewusstsein, sich vor der Inflation zu schützen, zu einer erhöhten Bereitschaft, sein Kapital in Immobilien anzulegen. Wohnimmobilien in Großstädten gelten demnach als besonders sicher - aufgrund der demographischen Entwicklung.
Allerdings: Wer in Deutschland Eigentum erwerben will, sollte zur Immobilienfinanzierung einen recht hohen Eigenkapitalanteil von etwa 25 Prozent besitzen. Durch die stagnierenden Löhne verfügen aber immer weniger Menschen über ein solches finanzielles Polster. Außerdem sind durch den sozialen Wohnungsbau und die Einführung des Wohngeldes preiswerte Alternativen zum Wohneigentum entstanden.
Starkes Mietrecht macht Mietwohnungen attraktiv
Ein weiterer Faktor, der bis heute kaum Beachtung im wissenschaftlichen Umfeld fand, ist die umfassende Mietrechtsregelung zugunsten des Mieters. Während die Rechte der Mieter in vielen Ländern häufiger zugunsten des Mieters ausfallen, profitieren sie hierzulande von einem vergleichsweise recht umfangreichen Rechtekatalog sowie einem sehr hohen Qualitätsstandard bei Mietobjekten. Somit werden in diesem Bereich kaum Anreize geschaffen, auf eine Kaufimmobilie auszuweichen.
Ebenso darf nicht vergessen werden, dass Deutschland im internationalen Vergleich auch deswegen hinterherhinkt, weil die Menschen hierzulande immer mehr Wohnfläche pro Person verlangen, während in anderen Ländern eine größere Anzahl an Personen gemeinsam in einem kleineren Haushalt lebt und sich so auch eher eine Kaufimmobilie finanziell leisten kann.
Deutschland im Vergleich zu Europa
Während die Eigentümerquote in der EU durchschnittlich bei über 70 Prozent liegt, hinkt Deutschland mit knapp 51 Prozent weiterhin hinterher und bildet zusammen mit der Schweiz das Schlusslicht der Statistik.
Der Einfluss des Einkommens auf den Erwerb von Eigentum
Die enorm hohen Eigentümerquoten von 80-90 Prozent in zahlreichen osteuropäischen Ländern lassen sich größtenteils auf die verändernden Wohnverhältnisse nach dem Zusammenbruch der UdSSR zurückführen. Zahlreiche Immobilien sind damals aufgrund des erheblichen Sanierungsbedarfs weit unter Marktwert verkauft worden. Der Besitz von Wohneigentum ist dort also deutlich weniger abhängig vom Einkommen gewesen, als dies im restlichen Europa der Fall ist. Auch die Wohnverhältnisse mit deutlich weniger Wohnfläche je Person in Ost- und Südeuropa sind mitverantwortlich dafür, dass dort durchschnittlich mehr Menschen Eigentum besitzen.
Manche Länder, wie etwa die Schweiz und Deutschland, verfügen über eine recht hohe Preis-Einkommens-Relation. Das bedeutet, dass Immobilien dort im Vergleich zum Einkommen deutlich teurer sind als anderswo. Somit können sich weniger Menschen den Erwerb von Eigentum leisten. Länder mit einer niedrigeren Relation verzeichnen demnach mehr Eigentümer. Insgesamt betrachtet sind die Wohnkostenbelastung sowie der durchschnittliche Mietpreis pro m² in deutschen Großstädten im europäischen Vergleich relativ gering. Selbst München, das hierzulande mit durchschnittlich 21 Prozent des Einkommens für eine 1-Zimmer-Wohnung die höchsten Mietpreise verzeichnet, kann mit Metropolen wie Paris, Rom oder London nicht mithalten. Dort müssen Mieter zwischen 35-49 Prozent ihres Einkommens für eine 1-Zimmer-Wohnung ausgeben.
Funktionierender Mietwohnungsmarkt wirkt sich negativ auf Eigentümerquote aus
Während in Deutschland der Mietwohnungsmarkt bereits seit den 60er Jahren liberalisiert wurde und sich so die Mieten schrittweise angepasst haben, waren sie in Ländern wie Österreich oder Spanien bis in die 80er Jahre eingefroren. Somit boten sich für Vermieter keine Anreize, in Wohnimmobilien zu investieren. In Großbritannien, wo sich die Situation ähnlich gestaltet, war der Sozialwohnungsbau von derart schlechter Qualität, dass den Bewohnern eine Stigmatisierung drohte. In Spanien, wo noch heute der Mietermarkt besonders strikt geregelt ist und ein hoher Anteil der Mietwohnungen unter den Bestandsschutz fällt, ist die Eigentümerquote dementsprechend sehr hoch.
Diese Regelungen haben Vermieter davon abgehalten, in Mietwohnungen zu investieren. Vielen Haushalten blieb folglich gar keine andere Wahl, als Wohneigentum zu erwerben. Somit verfügen Länder mit einem intakten und funktionierenden Mietermarkt automatisch über eine niedrige Eigentümerquote. In Ländern, in denen nur wenige passable Alternativen zu Kaufimmobilien angeboten werden, ist die Quote hingegen automatisch höher. Ein weiterer Grund für die verschiedenen Quoten sind die unterschiedlichen steuerlichen Absetzungsmöglichkeiten. Während in Deutschland die Schuldzinsen nicht steuerlich absetzbar sind, haben Länder wie die Niederlande oder Spanien deutlich großzügigere Regelungen eingeführt, die so zum Erwerb von Eigentum motivieren. Auch der hohe Bedarf an Eigenkapital in Deutschland wirkt sich negativ auf die Eigentümerquote aus.
Eigentümerquote gewinnt an Dynamik
Während die Eigentümerquote in Deutschland seit 1950 nur geringfügig um wenige Prozentpunkte zugenommen hat, war von 2006 bis 2016 ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Das deutet auf eine positive Zukunft hin. Es wird davon ausgegangen, dass die Nachholeffekte, die durch den langsamen Preisanstieg der letzten Jahre bedingt waren, ihr Ende erreichen und sich das Preisniveau stabilisieren wird. Außerdem wird sich die erhöhte Zahl an
Baufertigstellungen sowie die damit verbundene Angebotsausweitung preisdämpfend auswirken und das Preissteigerungspotenzial begrenzen. Ob dies auch in stark wachsenden Städten wie München, Hamburg oder Berlin der Fall sein wird, bleibt unklar. Führende Immobilien-Ökonome gehen nämlich davon aus, dass die regionale Ungleichverteilung deutlich zunehmen wird.
Während die Bevölkerung und die Zahl der Haushalte in den Ballungsgebieten steigen und sich dadurch der Bedarf an Neubauten erhöhen wird, nimmt in zahlreichen ländlichen Regionen der Leerstand zu. Hier ist dementsprechend auch nicht mit Preissteigerungen zu rechnen. Auch die Angst vor einer Immobilienblase scheint unbegründet. Zum einen ist die Finanzierungspraxis in Deutschland sicherer, da die Kreditvergabe koordinierter verläuft, als dies beispielsweise in den USA der Fall ist. Zum anderen besteht bei bonitätsschwachen Haushalten kein Bedarf, Eigentum zu erwerben, da genügend preiswerter Wohnraum zur Miete zur Verfügung steht.